Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Kaufbeuren-Ostallgäu

Mann kniet mit Smartphone in der Hand vor einen Rennrad mit rot leuchtendem Rücklicht an Sattelstütze. Das Rücklicht Garmin Varia RCT715 mit integrierter Kamera zeichnet permanent auf und speichert Daten aber nur bei einem erkannten Unfall.

Das Rücklicht Garmin Varia RCT715 mit integrierter Kamera zeichnet permanent auf und speichert Daten aber nur bei einem erkannten Unfall. © Hersteller Garmin

Videoaufnahmen eines Verkehrsunfalls können als Beweis vor Gericht zulässig sein

Der Bundesgerichtshof hat im Mai 2018 Videoaufnahmen von einem Verkehrsunfall als Beweismittel im Zivilprozess für zulässig erklärt. Das Grundsatzurteil lässt sich auf Kameras am Fahrradlenker oder Fahrradhelm übertragen.

„Dass eine Videoaufnahme selbst rechtswidrig ist, bedeutet nicht, dass sie in einem Schadensersatzprozess von vornherein als Beweismittel abgelehnt werden muss. Das deutsche Prozessrecht kennt keinen Grundsatz, nach dem unerlaubt erlangte Beweismittel stets unzulässig sind“, sagt ADFC-Rechtsexperte Roland Huhn und beschreibt ein Urteil aus dem Jahr 2018, bei dem eine Videoaufnahme aus dem öffentlichen Straßenraum als Beweis zugelassen wurde.

Interessen müssen vor Gericht abgewogen werden

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied im Mai 2018: Statt eines generellen Verbots müssten die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Die Videoaufzeichnung sei ohne Einwilligung der Betroffenen und ohne Erlaubnis zur „Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen“ erfolgt. Deshalb verstoße sie gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und Persönlichkeitsrechte.

Die Aufnahmen stammten aber aus dem öffentlichen Straßenraum, wo sich der Unfallgegner freiwillig aufhielt und sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere selbst ausgesetzt habe. Es wurden nur Vorgänge aufgezeichnet, die grundsätzlich für jede:n wahrnehmbar seien.

Damit überwiegen laut BGH die Interessen des Klägers: Er habe ein berechtigtes Interesse daran, seine zivilrechtlichen Ansprüche durchzusetzen und einen im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör, in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege.

Unfallbeteiligte müssen Daten angegeben

Häufig kommt es nach Unfällen durch die Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens zu Beweisproblemen. Auch Gutachten brauchen dann verlässliche Anknüpfungstatsachen als Grundlage.

Nach einem Unfall gibt es kein Recht, Namen und Beteiligung geheim zu halten: Gemäß § 142 Strafgesetzbuch müssen Unfallbeteiligte bestimmte Feststellungen zu Person, Fahrzeug und Art der Beteiligung ermöglichen und nach § 34 Straßenverkehrs-Ordnung auf Verlangen Namen und Anschrift angeben und Papiere vorweisen.

Unbeteiligte Verkehrsteilnehmer:innen müssen geschützt werden

Die Interessen unbeteiligter, aber mitgefilmter Verkehrsteilnehmer:innen hat der BGH berücksichtigt. Sie werden durch das Datenschutzrecht geschützt, das nicht auf ein Beweisverwertungsverbot abzielt, sondern Geldbußen vorsieht und vorsätzliche Verstöße in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht mit Freiheitsstrafe ahndet.

Das Beobachten anderer, um Verkehrsordnungswidrigkeiten ohne eigene Betroffenheit zu dokumentieren, ist keine Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 6 b Abs. 1 Nr.3 BDSG. Zudem überwiegt beim dauerhaften und anlasslosen Beobachten des Straßenverkehrs mittels Dashcam das schutzwürdige Interesse der betroffenen Verkehrsteilnehmer:innen, nicht das der Beobachtenden.

Anlassloses Filmen und Internet-Pranger sind nicht erlaubt

Anlassloses Filmen vom Fahrzeug aus mit dem Ziel, andere Verkehrsteilnehmer:innen anzuzeigen, ist nicht zulässig ist. Erst bei einem konkreten Tatverdacht darf die Aufzeichnung starten. Weil diese häufig zu spät einsetzen wird, hat der Verkehrsgerichtstag 2016 einen Vorschlag gemacht, den der BGH aufgegriffen hat.

Datenschutzkonform kann es sein, die Aufzeichnung fortlaufend nach wenigen Minuten zu überschreiben und bei einem Unfall oder Vorfall die dauerhafte Speicherung der letzten Minuten auszulösen – jedenfalls dann, wenn sie in einem Zivil- oder Strafverfahren nach einem Vorfall verwertet werden soll, von dem der Aufzeichnende selbst betroffen war.

Ende Mai 2018 trat die neue Datenschutz-Grundverordnung an die Stelle des BDSG. Videomaterial für Anzeigen gegen Unbeteiligte wird sich auch so nicht rechtssicher gewinnen lassen. Aufzeichnungen von Verkehrsverstößen mit personenbezogenen Daten wie Kfz-Kennzeichen oder mit erkennbaren Personen im Internet zu veröffentlichen, ist ebenfalls verboten.

alle Themen anzeigen

Werde ADFC-Mitglied!

Unterstütze den ADFC und die Rad-Lobby, werde Mitglied und nutze exklusive Vorteile!

  • exklusive deutschlandweite Pannenhilfe
  • exklusives Mitgliedermagazin als E-Paper
  • Rechtsschutzversicherung
  • Vorteile bei vielen Kooperationspartnern
  • und vieles mehr

Dein Mitgliedsbeitrag macht den ADFC stark!

Zum Beitrittsformular

Verwandte Themen

blaues Lastenrad mit Plane

Marktoberdorf Lastenrad noch flexibler

Mobilität teilen: Das Organisationsteam des STADTRADELN von Stadt Marktoberdorf und Bündnis Nachhaltiges Marktoberdorf…

Eine Codierung zeigt, wer der Eigentümer des geklauten Rads ist.

Codieren

Der ADFC Kaufbeuren-Ostallgäu bietet die Codierung von Fahrrädern an. Sei es an den monatlichen Stammtischen als auch…

Lastenrad am Weg. Fluss im Hintergrund

Lechbruck bringt Lastenräder erfolgreich an den Start

Das Flößerdorf Lechbruck am See liegt am Übergang vom Ostallgäu hin zum Pfaffenwinkel. Wunderschön gelegen und seit 2022…

eRadschnellweg Goettingen, Nikolausberger-Weg Stadt Goettingen

Radschnellwege: Zügig von A nach B für ein komfortableres Radeln

Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr definiert Radschnellwege als „besonders hochwertige,…

Tischtennispartie und Menschen im Hintergrund, die am Straßenrand sitzen.

PARKing Day in Marktoberdorf

Erster PARK(ing) Day in Marktoberdorf - Unter dem Motto "12 qm leben" gestalteten Bürger:innen in der Marktoberdorfer…

Linksabbiegerspur

Neue Johann-Georg-Fendt-Straße

Die Johann-Georg-Fendt-Straße wurde die letzten Jahre erneuert und entlang der Bahnstrecke wurde im Frühjahr 2024 ein…

4 ADFC Mitarbeiter vorm Pavilion

Mobilitätstag Pfronten

Beim 1. Mobilitätstag in Pfronten präsentierte sich der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) mit den Kreisverbänden…

Sprecher beim Vortrag

Expertenwissen zu Scheibenbremsen

Sascha Braun erläutert am ADFC Stammtisch, worauf man bei Scheibenbremsen achten sollte.

10 Personen am Tisch im Wirtshaus

Gründung der VCD-Regionalgruppe Allgäu

Kaufbeuren, Mitte Dezember haben sich VCD-Mitglieder aus dem gesamten Allgäu getroffen und ein Regionalgruppe gegründet.…

https://kf-oal.adfc.de/artikel/videoaufnahmen-eines-verkehrsunfalls-koennen-als-beweis-vor-gericht-zulaessig-sein-2

Bleiben Sie in Kontakt