Lastenrad am Weg. Fluss im Hintergrund

Ein modernes Lastenrad am Uferweg in Lechbruck © Gemeinde Lechbruck

Lechbruck bringt Lastenräder erfolgreich an den Start

Das Flößerdorf Lechbruck am See liegt am Übergang vom Ostallgäu hin zum Pfaffenwinkel. Wunderschön gelegen und seit 2022 um eine Attraktion reicher. Wir konnten Bürgermeister Werner Moll zur erfolgreichen Einführung eines Lastenradverleihs befragen.

Grüß Gott Herr Bürgermeister Moll,

Gerade ist das Modellprojekt des Freistaats Bayern zu Ende gegangen. Wie sind Sie dazu gekommen mit Ihrer Gemeinde Lechbruck daran teilnehmen zu können?
Über die Internetseite des Bayerischen Verkehrsministeriums bin ich auf das Modellprojekt gestoßen und habe gelesen, dass aus jedem Regierungsbezirk eine Modellkommune gesucht wird, an diesem Modellprojekt teilzunehmen. Da in Lechbruck als Tourismusgemeinde die Verkehrsbelastung höher ist als in vergleichbar großen Gemeinden, dachte ich mir, das wäre was für unsere Gemeinde. So haben wir uns kurzerhand beworben und wurden zusammen mit sechs anderen Kommunen aus einer Vielzahl von Bewerbern (ca. 100!) für das Projekt ausgewählt.

Wie ist das Modellprojekt gelaufen? Wann ging es los? Was musste Ihre Gemeinde dafür investieren?
Mit dem Verlauf des Modellprojektes sind wir alle mehr als zufrieden, was auch die stets positiven Mietzahlen unserer Lastenräder belegen. Projektstart für unsere Gemeinde war im Spätsommer 2022, wo wir nach kurzer „Testphase“ direkt in die Vermietung übergingen. Wir als Gemeinde kümmerten uns um den Bau von drei, an stark frequentierten Plätzen im Ort verteilten Mietstationen. Wunderschön aus Lärchenholz gebaut und mit einem Gründach versehen! In diesen werden die Räder in der mietfreien Zeit abgestellt und über Ladesäule elektrisch geladen. Dort sind die Räder natürlich für jedermann den ganzen Tag verfügbar. Die Lastenfahrräder und die dazugehörige Verleih-App erhielten wir via Ausschreibungsverfahren.

Lechbruck hat gut 2800 Einwohner, abgesehen vom Lechufer muss man bei Ihnen in alle Richtungen den Berg hoch. Nicht gerade die Umgebung, die man für ein Lastenrad erwartet, wird dem Lastenrad doch eher zugeschrieben, ein städtisches Phänomen der Verkehrswende zu sein. Woran liegt es, Ihrer Ansicht nach, dass das Projekt so erfolgreich in Lechbruck ankam?
Trotz unserer überschaubaren Einwohnerzahl (2.818!) weisen wir für das Jahr 2023 knapp 365.000 touristische Übernachtungen aus, woraus wir schließen, dass eine Vielzahl unserer Touristen unsere Landschaft gerne mit dem Fahrrad erkundet. Für viele ist ein Lastenrad auch nichts alltägliches und so probieren sich viele in der ungewohnten Fahrweise eines Lastenrades. Die Lastenräder verfügen über ein sehr gutes Drehmoment, 1000 W Akkus und scheuen die Berge und Hügel in der Umgebung keineswegs – auch nicht mit Kindern in der Transportkiste.

Wer sind die Nutzer der Lastenräder? Einheimische oder Touristen? Alltags- oder Freizeitfahrten? Mehr Kinder- oder Materialtransport?
Ich würde behaupten, dass unsere Einheimischen die Lastenräder genauso oft und gerne benutzen wie unsere Urlaubsgäste. Oft sah ich in der vergangenen Radsaison Kinder in der Lastenradbox sitzen, aber auch Hunde und Einkäufe wurden transportiert.

Wie funktioniert Ihr Leihsystem? Welche Fahrräder haben Sie im Angebot?
Unsere 12 Lastenräder können über die Lastenrad-Bayern-App (Android oder Apple) zu jeder Zeit und an jeder der drei Stationen ausgeliehen und zurückgegeben werden. Als eine der wenigen Modellkommunen ist in Lechbruck die erste halbe Stunde gratis. Durch die A zu B Vermietung muss das Lastenrad auch nicht unbedingt an der Station abgestellt werden, an der es ausgeliehen wurde. Das hat den Vorteil, dass durch die Gratiszeit von 30 Minuten viele Familien z.B. vom Campingplatz zum innerörtlichen Minigolf fahren, dort sich stundenweise aufhalten und dann anschließend mit einer Neumietung an der Station Rathaus wieder gratis zum Campingplatz zurückkehren können. Das spart uns viel CO2 in der Gemeinde und schont unsere Parklätze innerorts.
Auswählen können Sie bei uns zwischen den Rädern der Marke „Riese und Müller“, Packster 60 und dem Packster 80 – also Modellen mit einer etwas kürzeren oder einer etwas längeren Transportkiste.

Das Frühjahr steht vor der Tür, sind Sie für die Räder bereit für die neue Saison? Wie groß ist der Aufwand für die Gemeinde, das Leihsystem am Laufen zu halten? Hat die Gemeinde dafür Partner? Rechnet sich das für Sie?
Selbstverständlich stehen unsere Räder in bestem Zustand schon in den Startlöchern für die kommende Radsaison. Als eine der ganz wenigen Kommunen im Projekt betreiben wir das System im Eigenbetrieb und nicht durch eine kostenintensive Betreiberfirma. Im vergangenen Herbst, bevor die Räder in den „Winterschlaf“ durften, wurden alle 12 zum Check-Up in eine benachbarte Fahrradwerkstatt gebracht und auf einwandfreie Verkehrssicherheit geprüft. Kleinere Reparaturen oder Wartungsarbeiten werden durch unseren extra geschulten Bauhofmitarbeiter ausgeführt. Auch werden die Räder wöchentlich von einem eigenen Mann geputzt. Zum Glück fielen nur kleinere Reparaturen an, die die Kosten für die Gemeinde sehr übersichtlich hielten.

Wie werden die Räder gegen Witterung, gegen Fehlbedienung oder Vandalismus geschützt? Gab es da Themen? Wie ist die Wartung organisiert?
Unsere Räder werden in überdachten Stationen geparkt, so sind diese auch bei schlechter Witterung optimal geschützt. Mit Vandalismus hatten wir, toi toi toi, bisher noch keine Probleme. Zweimal pro Woche werden die Räder auf deren Verkehrssicherheit geprüft. Im Falle eines Mangels werden sie aus der Vermietung genommen und zur Reparatur gebracht. Fehlbedienung ist durch die selbsterklärende App und großen Hinweistafeln an den Stationen nahezu ausgeschlossen. Auch sind unsere Räder durch zwei verbaute GPS-Sender gegen Diebstahl gesichert. Ferner kann durch das GPS z.B. bei einer Panne der ortsunkundige Fahrer schnell gefunden und ihm geholfen werden. An den Rädern sind für Notfälle entsprechende Notfall-Telefonnummern angebracht.

Passt das Angebot von der Radauswahl, von der Radanzahl und von den Ausleihpunkten oder wollen Sie das Angebot noch anpassen?
Wir sind sehr zufrieden mit der Auswahl unserer Räder und auch die Mietstationen sind, gerade mit Blick auf die Standorte zweier Stationen in Mitte unseres Campingplatzes und zwischen Feriendorf und Kurklinik, bestens gewählt. Die dritte Station steht in der Ortsmitte neben dem Rathaus/Minigolfanlage. An manchen Tagen wünschten wir uns ob der großen Nachfrage mehr als 12 Lastenräder. Eine Anpassung wird aber wahrscheinlich nicht stattfinden. Zu überlegen wäre bei zukünftigen Baugebieten solche Stationen fest in diese zu integrieren, um z.B. Kindergarten-, Schul- oder Einkaufsfahrten mit dem Lastenrad attraktiver zu machen.

Was würden Sie anderen Allgäuer Kommunen empfehlen, wenn diese mit solch einem Leihsystem liebäugeln? Rechnet sich das auch ohne staatliche Förderung?
In meinen Augen ist ein Lastenradleihsystem ein absoluter Mehrwert für jede Kommune! Egal ob für Einkaufsfahrten, den Transport von Kindern oder einfache Ausflugsfahrten, bietet man Einheimischen und Touristen die Möglichkeit unkompliziert auf ein klimaneutrales Verkehrsmittel zurückzugreifen. Eine Anschaffung von Lastenrädern vor allem mit den dazugehörigen öffentlichen Ladestationen und der Buchungsapp ist jedoch nicht gerade günstig, weshalb eine Förderung sicher von Vorteil ist. Ergibt sich aber die Chance für eine Förderung nicht, können Sie Mietpreise ja dementsprechend angepasst werden, dass das System für den Nutzer immer noch attraktiv bleibt.

Zu überlegen wäre allerdings auch eine Bezuschussung der Kommune für den Kauf von privaten Lastenrädern wie Z.B. bei Bezuschussung von energetischer Sanierung oder dem Kauf von „weißer Ware“.

Vielen Dank Herr Bürgermeister Moll für das Interview.

Weitere Informationen zum Lastenradverleih in Lechbruck findet man hier

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https://kf-oal.adfc.de/artikel/lechbruck-bringt-lastenraeder-erfolgreich-an-den-start

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 200.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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