Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Kaufbeuren-Ostallgäu

Gemeinsame Pressekonferenz von ADFC und Bundesverkehrministerium zum ADFC-Fahrradklima-Test 2022.

Gemeinsame Pressekonferenz von ADFC und Bundesverkehrministerium zum ADFC-Fahrradklima-Test 2022. © ADFC/Dirk Deckbar

ADFC-Fahrradklima-Test 2022

Der ADFC-Fahrradklima-Test 2022 fragt nach, wie zufrieden Radfahrende vor Ort mit ihrer Situation sind. Das Ergebnis: In Deutschland ist das Klima fürs Fahrrad nur ausreichend. Mit einer Gesamtnote von 3,96 verschlechtert es sich leicht (2020:3,93).

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der größten Umfragen zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit und wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert. Er fand 2022 zum zehnten Mal statt.

Rund 245.000 Menschen (2020: 230.000) haben sich an der Umfrage beteiligt und dabei 1.114 Städte und Gemeinden bewertet (2020: 1.024; 2018: 683). Damit liegen für 65 Prozent der Bevölkerung in Deutschland nun Angaben zur Fahrradfreundlichkeit ihrer Wohnorte vor. Alle bewerteten Orte zusammen repräsentieren rund 54 Millionen Menschen im Land.

Mehr als 90 Prozent der Teilnehmer:innen nutzen sowohl das Fahrrad als auch das Auto, kennen also nicht nur die Perspektive als Radfahrende. Sie sind viel mit dem Rad unterwegs und kennen die Infrastruktur vor Ort gut. Über 90 Prozent fahren mindestens einmal die Woche Rad. 63 Prozent sind sogar (fast) täglich mit ihm unterwegs.

 

Großstädte leicht im Aufwind

Leichte Verbesserungen bei der Durchschnittsnote gab es für die Ortgrößenklasse über 500.000 Einwohner:innen. Hier bewerteten die Teilnehmer:innen positiv, dass die Fahrradförderung in jüngster Zeit zugenommen hat. Auch das Angebot von öffentlichen Leihrädern und mehr Fahrradparkplätze kommen bei Radfahrer:innen gut an.

„Das Fahrradklima in den Metropolen verbessert sich. Hinter den Zahlen steckt die Botschaft: Fahrradförderung wirkt“, sagte die ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider auf der Pressekonferenz am 24. April 2023.

Die Kontrolle von Falschparker:innen aber bleibt in dieser Größenklasse trotz Verbesserungen mangelhaft (5,0). Sie wird von allen Fragen am schlechtesten bewertet – auch in den anderen Ortsgrößenklassen.

Insbesondere Köln, Hamburg und Frankfurt am Main verbessern sich so stark, dass ihre gesamte Größenklasse davon profitiert. Die Mainmetropole glänzt mit Bestnoten bei der Fahrradförderung, Wegweisung und Fahrradmitnahme, aber auch bei Qualität und Breite der Radwege.

In Hamburg werden die Leihräder positiv bewertet, bei Falschparkkontrollen und bei der Akzeptanz von Radfahrenden als Verkehrsteilnehmer:innen gibt es hier leichte Verbesserungen.

„Diese Akzeptanz ist für Radfahrende ein wichtiges Kriterium“, so Schneider.

Spitzenreiter bei den großen Städten

  • Bei den Städten über 500.000 Einwohner:innen liegt erneut Bremen (3,57) vorne. Frankfurt am Main (3,61) verbessert sich und verdrängt Hannover (3,63) auf Platz 3.
  • Münster (3,04) hat bei den Städten von 200.000 bis 500.000 Einwohner:innen die Nase vorne, Karlsruhe (3,09) und Freiburg im Breisgau (3,11) folgen mit geringem Abstand.
  • In der Größenklasse von 100.000 bis 200.000 Einwohner:innen liegt Erlangen (3,2) vor Göttingen (3,5) und Darmstadt (3,6), das erstmals einen vorderen Platz belegt.
  • Nordhorn (2,8), Bocholt (3,1) und Tübingen (3,1) führen die Städte von 50.000 bis 100.000 Einwohner:innen an.
  • In der Ortsgrößenklasse von 20.000 bis 50.000 Einwohner:innen siegt Baunatal mit der Note 2,5 vor Meckenheim (2,6) und Coesfeld (3,0).
  • Wettringen bekam eine 2,0 und landete in der Klasse bis 20.000 Einwohner:innen auf Platz 1 vor Reken (2,4) und Rutesheim (2,5).

Wie sind die Ergebnisse für meinen Ort? Zu den Ergebnissen

Wettringen erhält Sonderpreis zum Radfahren im ländlichen Raum

Wettringen kann sich zudem über den Sonderpreis in der Kategorie „Radfahren im ländlichen Raum“ freuen. In den fünf Zusatzfragen zum ländlichen Raum punktete Wettringen mit einer guten Erreichbarkeit der Nachbarorte, mit direkten und komfortablen Verbindungen sowie mit einer guten eigenständigen Mobilität per Rad bei Kindern und Jugendlichen.

Dabei profitiert der kleine Ort mit rund 8.300 Einwohner:innen sicherlich auch von der „Triangel“, einem Radwege-Dreieck im Kreis Steinfurt, das auf alten Bahntrassen mehrere Orte miteinander verbindet, zu denen auch Wettringen gehört.

Wettringens Bürgermeister Berthold Bültgerds freute sich sichtlich über die beiden Auszeichnungen. Er sagte, es gebe nicht das Geheimnis des Erfolgs schlechthin. Es seien die Früchte jahrzehntelanger Arbeit. Einen Radverkehrsplan gäbe es seit über zehn Jahren. 80 Kilometer Radwege, sichere Wege zum Schul- oder Sportzentrum, dass alle Bushaltestellen und der zentrale Busbahnhof mit Fahrradparkern ausgestattet sein: All das trage zum Modal Split von 32 Prozent bei. Die Pro-Kopf-Investition in den Radverkehr liege bei etwa 120 Euro pro Jahr.

 

Verkehrswende auf dem Land stockt

Auf dem Land und in kleineren Städten passiert im Gegensatz zu den Großstädten aber nicht viel für den Radverkehr, obwohl die Bedingungen zum Radfahren hier eigentlich gut sind und Potenzial vorhanden wäre. Denn: Innerhalb einer Ortschaft sind die Wege kurz und Platz ist meist auch ausreichend vorhanden – ideal fürs Radfahren. Der ÖPNV kommt in vielen Orten zu selten, um als eine Alternative zum Auto wahrgenommen zu werden.

Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing betonte auf der Präsentation der Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests mehrfach, dass die Umfrage des ADFC ein wichtiger Gradmesser für Fördermittel sei. Vor allem aber seien Lückenschlüsse wichtig, denn auch nur eine kurze Lücke auf einem ansonsten gut ausgebauten Radweg kann dafür sorgen, dass beispielsweise Eltern entscheiden, ihre Kinder dort nicht fahren zu lassen. Bei der Planung sollte man sich immer die Frage stellen, ob die Infrastruktur dem Sicherheitsbedürfnis der elfjährigen Laura, die Radfahren will und dem ihrer Eltern entspreche.

Wissing will Planungen entsprechend beschleunigen. Er erläutert zudem den Lehrgang „Einladende Radverkehrsnetze planen, mit dem sein Haus, Länder und Kommunen unterstützen will, weil nicht genug Fachpersonal vorhanden ist.

Die Mittel seien im Bundeshaushalt bis 2028 abgesichert, müssten aber auch abgerufen werden. Dank der Förderung durch den Bund können verlässliche Fahrradparkplätze an Bahnhöfen entstehen. Diese in Kombination mit dem Deutschland-Ticket könnten das Fahrrad im Mobilitätsmix gut einbinden.

E-Bikes sind auf dem Land besonders beliebt.
E-Bikes sind auf dem Land besonders beliebt. © ADFC/April Agentur

Elektrofahrräder haben auf dem Land Potenzial

In Deutschland leben 40 Prozent der Menschen in der beim ADFC-Fahrradklima-Test kleinsten Ortsklasse bis 20.000 Einwohner:innen. Etwa 42 Prozent der Teilnehmer:innen, die in dieser Ortsgrößenklasse leben, gaben an, hauptsächlich mit einem Elektrofahrrad zu fahren. Elektrofahrräder werden also in ländlichen Regionen stark genutzt. Insgesamt hat sich der E-Rad-Anteil in sechs Jahren fast verdreifacht (von 12 % auf 35 %).

 

Aufholer und Schlusslichter

In der Kategorie „Aufholer“ hat der ADFC die Städte und Gemeinden mit den stärksten Verbesserungen im Vergleich mit dem letzten ADFC-Fahrradklima-Test in der jeweiligen Ortsgrößenklasse ausgezeichnet. Die Aufholer sind Köln, Bonn, Koblenz, Landshut, Bad Honnef und Neuenkirchen im Kreis Steinfurt.

Schlusslichter in ihren Größenklassen sind Essen, Krefeld, Remscheid, Lüdenscheid, Kulmbach und Windhagen. Die Konzentration im Ruhrgebiet ist auffällig, während sich nur ein wenig weiter nördlich im Münsterland viele der bestplatzierten Orte befinden. Doch auch Schlusslichter haben Positives zu bieten: So hat Essen gute Noten bei der Wegweisung erhalten.

 

Aufsteiger Köln

In Köln werden die Breite der Radwege und Radfahrstreifen besser als 2020 bewertet. Bei der Frage nach der Fahrradförderung in jüngster Zeit kann sich die Stadt mit 3,3 um fast eine ganze Notenstufe verbessern (2020: 4,1). So wurde Köln in seiner Stadtgrößenklasse vom Schlusslicht 2020 zur Aufholer-Metropole.

Ascan Egerer, Beigeordneter für Mobilität aus Köln, gab einen Einblick, was sich in der Stadt alles getan hat in den letzten Jahren: Das Projekt „Ring frei“ – ein Radfahrstreifen auf dem Theodor-Heuss-Ring mit Tempo 30 wurde umgesetzt, die Anzahl der Fahrradstraßen vervierfacht, Grünpfeile für Radfahrende eingesetzt, die Anschaffung von Lastenrädern gefördert, ein Lastenrad-Sharing initiiert, Konfliktpunkte entschärft und Radhauptnetze zumindest schon mal politisch beschlossen. Auch in die Kommunikation habe man investiert und eine Fahrradstraßen-Kampagne umgesetzt.

Darum fahren Frauen Fahrrad
Darum fahren Frauen Fahrrad © ADFC/April Agentur

Warum fahren Menschen Rad?

Gesundheit, Spaß und Sport werden am häufigsten als Motive für das Radfahren genannt, insbesondere von Männern. Frauen sind da pragmatischer: Sie erklären ihre Motivation zum Radfahren häufiger mit der Flexibilität des Fahrrads, Kosten- und Zeitersparnis sowie mit der Parksituation. Umweltfreundlichkeit ist ebenfalls ein wichtiger Grund und wird am häufigsten von Teilnehmer:innen aus den Metropolen genannt.

84 Prozent der Teilnehmer:innen sind keine ADFC-Mitglieder. Ihr Anteil liegt weiter konstant bei knapp 16 Prozent. Der Anteil der teilnehmenden Frauen steigt im Vergleich mit 2020 um einen weiteren Prozentpunkt auf 44 Prozent (2012: 37 %).

 

Das Fahrrad ist krisenfest, günstig und wird als Transportmittel beliebter

Die gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten zeigen sich deutlich: 2022 gaben 49 Prozent der Teilnehmenden an, aus Kostengründen aufs Rad zu steigen (2020: 33 %). Besonders hoch sind die Steigerungszahlen bei den kleineren Ortsgrößen: So wächst der Anteil in den Orten unter 20.000 Einwohner:innen von 24 Prozent auf 43 Prozent.

Je größer die Orte sind, desto beliebter werden Lastenräder. Sie liegen im Trend und sind ein wachsendes Segment der Fahrradbranche. Das zeigt sich auch in der Umfrage: 2022 sagten 4,4 Prozent der Teilnehmenden, dass sie hauptsächlich mit dem Lastenrad fahren (2020: 3 %). Da die Transporträder Autos ersetzen, sollte der Trend durch gute und breite Radwege weiter gefördert werden, so der ADFC.

Gefahr für die Verkehrswende

Eine schlechte Infrastruktur bremst nicht nur ein Mehr an Radverkehr aus, sondern das Radfahren macht immer weniger Spaß – und das kann Menschen davon abhalten, weiter aufs Rad zu steigen.

„Diese Tendenz sehen wir mit großer Sorge. 70 Prozent fühlen sich mit dem Rad unsicher. Dennoch hat die Sicherheit nicht mehr die höchste Priorität. Radfahrende möchten vor allem als Verkehrsteilnehmer:innen akzeptiert werden und fordern breitere Radwege, um schnell und komfortabel voranzukommen. So erleichtern zum Beispiel geöffnete Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung das zügige Radfahren. Das wird positiv bewertet und zeigt, wie einfach es ist, etwas für Radfahrende zu tun“, so Ann-Kathrin Schneider.

Die steigenden Teilnahmen beim ADFC-Fahrradklima-Test beweisen: Immer mehr Menschen fahren Rad und wollen Veränderungen vor Ort. Sie erwarten gute Radfahrbedingungen und werden zunehmend kritischer, weil vor Ort zu wenig passiert.

Der ADFC-Fahrradklima-Test zeigt, wo die Unzufriedenheit liegt. Er zeigt auch, dass Kommunen, die diese Unzufriedenheit ernstnehmen und an den entsprechenden Stellschrauben drehen, mit besseren Noten belohnt werden – wie Köln, das 2020 Schlusslicht bei den Städten über 500.000 Einwohner:innen war, sich zwei Jahre später aber als Aufholer feiern kann.

aktualisiert 25.04.23

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https://kf-oal.adfc.de/artikel/adfc-fahrradklima-test-2022-die-ergebnisse-5

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